Die 10 Maulbronner Köpfe

Johannes Kepler

Als einer der wichtigsten Astronomen der Geschichte ist Johannes Kepler weltbekannt. Mit seiner Entdeckung der Dynamik der Planetenbewegungen hat er unser Weltbild maßgeblich verändert. In Maulbronn besuchte er als Jugendlicher 1586/89 die Klosterschule. Hier soll er eine Sonnenfinsternis beobachtet und das Phänomen der Camera obscura für sich entdeckt haben. Wie er in seiner Autobiographie schreibt, war seine Schulzeit von missgünstigen Mitschülern geprägt. Der Hochbegabte war isoliert, erfuhr aber eine prägende Ausbildung zum Theologen. Auch als Astronom forschte er zum höheren Lobe Gottes und es entstanden zahlreiche lateinische Gedichte. In späteren Jahren hat er ganz nebenbei die Zahnradpumpe erfunden, die heute in jedem Auto für die Schmierung des Verbrennungsmotors eingebaut ist.

Karl Friedrich Reinhard

Der Dichter, Essayist und Politiker Reinhard brachte es bis zum Pair von Frankreich. Nach Anfängen als Dichter und Journalist im Umfeld der französischen Revolution gelang es ihm, als Diplomat in französischen Diensten zu arbeiten. Er wirkte als Botschafter in Florenz, Bern, Hamburg und Kassel und war 1799 bis zum Konsulat Napoleons französischer Außenminister. Seine Zeit in der Klosterschule Maulbronn (1776/78) war von den miserablen Lebensbedingungen in den alten Klostermauern geprägt, die er mit scharfen Worten kritisierte. Seine Ausbildung in den Sprachen, u.a. in Arabisch, und das Interesse für Literatur, das sich in ersten Gedichten in Maulbronn und Tübingen zeigte, sollten ihn aber zeitlebens begleiten.

Friedrich Hölderlin

Hölderlin gilt als einer der wichtigsten Dichter der deutschen Sprache. Er hat durch Sprachgewalt und Verdichtung maßgebliche Grundlagen für die Dichtung des 20. Jahrhunderts gelegt. Geboren in Lauffen/Neckar absolvierte er die traditionelle württembergische Theologenlaufbahn, auch in Maulbronn (1786/88). Er wandte sich jedoch von der Theologie ab und lebte als freier Dichter, bevor er sich geistig zerrüttet in den Tübinger Turm zurückzog. Neben seinen Gedichten entstanden vor allem Übersetzungen (Antigone) und Romane (Hyperion). Seine Maulbronner Zeit ist von der ersten Liebe zu Louise Nast bestimmt. Gleichzeitig entstehen seine ersten Gedichte, die er im sogenannten Quartheft der Maulbronner Gedichte zusammenfasste.

Friedrich Theodor Vischer

Der Philosoph, Essayist und Romancier Vischer hat in seiner Zeit wichtige Beiträge zur Ästhetik geleistet. Als Romancier hat er mit Auch einer (1879) einen der größten Bucherfolge des 19. Jahrhunderts geschrieben. Sein Humor und seine kritische Grundhaltung haben sich unter anderem in seiner Satire Faust III niedergeschlagen. In Maulbronn ist er als Repetent im Jahr 1831/32, wo Georg Herwegh zu seinen Schülern zählte, zu dem er allerdings eine skeptische Position beibehielt: »ein guter Schulmeister wirkt mehr für die Freiheit als Bände Herweghscher Gedichte“.

David Friedrich Strauß

Weitgehend vergessen ist der Theologe Strauß heute, obwohl er zu den wichtigsten Denkern des 19. Jahrhunderts gehörte. Sein Leben Jesu (1841/42), in dem er als einer der Ersten die biblischen Erzählungen von Jesus auf ihren historischen Kern zurückführte, war wegweisend für die Theologie. Er unterschied zwischen dem historischen Jesus und dem Christus der Kirche und schrieb sein Leben lang gegen Dogmen der lutherischen Orthodoxie. Dennoch wurde er vom jungen Friedrich Nietzsche heftig angegriffen. Wie sein Kollege Vischer unterrichtete auch Strauß 1831 am Seminar Maulbronn.,

Eduard Zeller

Als Professor prägte Eduard Zeller Generationen von Theologen und Philosophen, auch wenn er heute weitgehend vergessen ist. Mit David Friedrich Strauß, den er noch als Schüler in Maulbronn (1827/31) kennenlernte, und Christian Baur zählte er zu den Vertretern einer historisch-kritischen Theologie der Tübinger Schule, was ihm, wie seinem Freund Strauß, einige Probleme einbrachte. Sein großes Werk über Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung (1856-1868) kann auch heute noch mit Gewinn gelesen werden.

Georg Herwegh

Als herausragender politischer Dichter der Revolution hat sich Herwegh ins Gedächtnis der Menschheit eingeschrieben. Schon im Seminar in Maulbronn (1831/35) fiel er durch Widerstand gegen die Seminarordnung auf und wurde für Kaffeehausbesuch, verbotene Lektüre und Schuldenmachen bestraft. Auch erste Gedichte entstanden während seiner Schulzeit. Die sprachliche Ausbildung am Seminar machte ihn zu einem profilierten Journalisten, der schon bald ins schweizer, später ins französische Exil gehen musste. Eine tragende Rolle spielte er in der Märzrevolution von 1848 in Baden. Er und seine Frau Emma gehörten zu den profiliertesten Intellektuellen im Umfeld von Karl Marx und Michail Bakunin. Er schrieb u.a. 1863 das Bundeslied zur Gründung der SPD mit den bis heute zitierten Zeilen: »Alle Räder stehen still, wenn Dein starker Arm es will«.

 

Ferdinand von Hochstetter

Einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler, die das Evangelische Seminar hervorgebracht hat, ist der Geologe Hochstetter. 1843/47 im Seminar fällt er dort noch nicht durch ein übermäßiges naturwissenschaftliches Interesse auf. Dennoch hat er auf den Spuren Humboldts zahlreiche Länder bereist und für Neuseeland maßgeblich die Geographie, Fauna und Flora beschrieben. Nach ihm wurden mehrere geographische Orte (Hochstetter Peak, NZ) und Tiere benannt. Er ist auch der Entdecker des seismischen Ursprungs der Tsunamis. In seinen späteren Jahren wurde er zum Gründungsdirektor des Naturhistorischen Museums in Wien und machte es zu einem der führenden naturwissenschaftlichen Museen in Europa. Seine intellektuelle Bandbreite machte ihn zu einem der wichtigsten Intellektuellen des ausgehenden Habsburgerreiches.

David Friedrich Weinland

Fast hundert Jahre lang war Weinlands Roman Rulaman fester Bestand der jugendlichen Erziehung in Württemberg. Die Geschichte vom Steinzeitmenschen, der unter den Druck einer modernen Gesellschaft gerät, war nicht nur ein spannender Abenteuerroman, sondern auch eine Metapher auf die Gegenwart Weinlands. Der Autor war jedoch weit vielseitiger, als es die von der Schwäbischen Alb inspirierte Romanhandlung erahnen lässt. Nach seiner Seminarzeit in Maulbronn 1843/47 und dem Theologiestudium wandte er sich den Naturwissenschaften zu. Er unternahm Forschungsreisen in die USA, Kanada, Mexiko und die Karibik und wurde für fünf Jahre der zweite Direktor des Frankfurter Zoos, bevor er sich aus gesundheitlichen Gründen zurückzog und als Privatgelehrter und Schriftsteller lebte.

Hermann Hesse

Wie kaum ein zweiter deutscher Autor des 20. Jahrhunderts, werden die Werke von Hesse bis heute gelesen. Seine Gedichte und Romane, vor allem der Steppenwolf, haben bis heute zahlreiche Verehrer weltweit und wurden in über 150 Sprachen übersetzt. Seine besondere Leistung liegt in der Verbindung allgemein menschlicher und philosophischer Gedanken mit einem neuromantischen Ton, der vor allem seine Gedichte prägt. Obwohl Hesse nur wenige Monate 1891/92 im Seminar Maulbronn lebte, ist sein Werk bis zum Lebensende stark von den Erfahrungen im Internat geprägt. Direkt verarbeitete er seine Erfahrungen in Unterm Rad, das Kloster hat einen großen Auftritt in Narziss und Goldmund, und die spezielle, württembergische Tradition der Klosterschulen kehrt im Glasperlenspiel wieder.